
Aachen macht Kultur. Kultur macht Aachen.

In Aachen gibt es immer noch ein ganz bestimmtes Wandgemälde:
- Zu viele sehen nicht die Chancen, sondern nur die angeblich graue und perspektivlose Zukunft.
- Gezeichnet wird mit grellen Marker-Stiften nicht die durchaus vorhandene politische Gesprächskultur, sondern überwiegend der Dissens.
- Gestalterinnen und Gestalter werden vielfach übersehen und nicht berücksichtigt, stattdessen erlebt man eine Inflation billiger populistischer Kommentierungen in Social Media.
- Die Hauptrollen spielen Bedenkenträger und Verhinderer mit zeigefingergesteuerten Hinweisen auf angebliche Sündenböcke, Versager und Nichtskönner.
- Emotionalität verdrängt den Sachverstand.
Und nun hat es am Mittwochabend im „Quellenhof“ auf Initiative des Aachener Malers Günther Beckers ein Gespräch über Kunst und Kultur, über die Zukunft von Künstlern, Museen und Kunstinstituten in Aachen gegeben. Auch wenn Beckers letztlich mit dem Ergebnis offensichtlich nicht zufrieden war, weil seine Vorstellungen, seine vorgeschlagenen Projekte derzeit schon aus finanziellen Gründen keine Chance haben, war es ein erhellender Abend.

Zu Gast waren aus der Politik Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen (parteilos, erneut Kandidatin der Grünen) und die OB-Kandidaten Michael Ziemons (CDU) und Michael Servos (SPD). Das sind drei kompetente, sachlich abwägende und unaufgeregt diskutierende Kommunalpolitiker. Und bei einer strukturierten Debatte (die es leider ohne Moderation an diesem Abend nicht gab), hätten sie noch wesentlich akzentuierter ihre Ansichten und Aussichten für und über die Zukunft der Kultur in Aachen ausdrücken können.
Bemerkenswert war es aber dennoch, wie einig sich die drei in wesentlichen Punkten waren und sind.

Gehen wir ausnahmsweise den umgekehrten Weg und fügen im Nachhinein den Statements die nicht gestellten Fragen hinzu.
- Welchen Anspruch hat Aachen?
Sibylle Keupen bittet zunächst darum, die soziokulturelle Arbeit (die sie aus ihrer langen Zeit in der Aachener Kunstschule „Bleiberger Fabrik“ en détail kennt) nicht gegen die Kultur in Museen, Theatern etc. auszuspielen. Sie vermisst die am Anfang von Klaus Honnef (Kunsthistoriker, Buch-Autor und Journalist) in einer Reminiszenz beschriebene Bewegung, die Kulturschaffende in den 60er Jahren etwa in Aachen mit „Gegenverkehr“ initiierten. Zwar sei die Zeit heute mit der damaligen von gesellschaftlichen Spannungen geprägten Situation nicht vergleichbar – darauf weist auch Michael Servos hin – , aber manches in Kultur und Kunst sei in dieser Hinsicht „sehr bräsig geworden“.
Michael Servos sagt: „Wir brauchen eine andere Diskussionskultur in unserer Stadt, da geht es zu sehr um Häppchen, Straßenlaternen und Poller“. Michael Ziemons sieht ein Aachener Potenzial im „gesellschaftlichen Gefüge mit Uni und den drei Ländern in der Euregio“. Ob man ein neues Museum dringend brauche, bezweifelt er wie die anderen, natürlich vor allem wegen der nicht vorhandenen finanziellen Möglichkeiten. Er setzt mehrfach auf „große Ausstellungen“, die es in der Vergangenheit in Aachen ja schon gegeben habe. „Warum soll das nicht mehr möglich sein?“
- Was kann Aachen besser machen?
Sibylle Keupen nennt das – auch an diesem Abend – viel kritisierte Ludwig Forum einen „hervorragenden Ort“, der sein Potenzial derzeit „nicht voll umfänglich ausschöpfe“. Sie setzt auf die neue Leitung des Hauses, auf infrastrukturelle Verbesserungen, Stichwort Gastronomie, und die Beseitigung baulicher Defizite (undichtes Dach). „Museen mit zahlreichen Wassereimern zu haben, ist gewiss nicht meine Vorstellung einer modernen künstlerischen Installation.“ Michael Servos will die „Stadt größer denken“. Manchmal seien es aber auch „winzige Dinge, die in Aachen einfachen Lösungen entgegen stehen. Wir sollten an vielen Stellen einfach mal mehr machen, statt zu fragen, was alles nicht geht“. Michael Ziemons betont erneut das Potenzial der bestehenden Häuser. Hier sei mehr möglich.

- Was ist mit dem Aachener Musikleben, mit dem Theater?
Thomas Beaujean, Vorsitzender des Musik- und Theaterfreunde e.V., erinnert an das gescheiterte Projekt „Haus für Musik“, nennt die engagierten und ganz konkreten Bemühungen des Vereins um eine erhebliche Verbesserung der Akustik im Eurogress, und bedauert den Weggang der Meisterkonzerte aus Aachen. Er vermisst auch Akzeptanz aus der Bevölkerung für solche – gewiss auch hochpreisigen – Angebote.

Keupen, Ziemons und Servos loben beispielhaft unisono die Initiativen und Aktivitäten der Theaterintendantin Elena Tzavara, die mit neuen Formaten und Ideen das Haus öffne, neue Zielgruppen anspreche und zeige, was in Aachen gehe. Dass nicht nur der Theaterplatz, sondern das Theater Aachen selber eine dringend zu renovierende Baustelle sei, erwähnen alle.
- Was passiert nach der Kommunalwahl?
Das politische Trio verspricht, jenseits aller Parteigrenzen und unabhängig vom Wahlausgang gemeinsame Konzepte für die Kultur zu entwickeln und „gemeinsam etwas hinzukriegen“. Michael Servos formuliert das so: „Wir müssen einen Rahmen schaffen, in dem wir uns politisch gemeinsam bewegen und einen Schritt zu einer größeren Kulturreform machen.“ Er sieht – wie Keupen und Ziemons – „große Renovierungsbedarfe“, nennt Ludwig Forum und Theater als Beispiele. „Den Schwung dieser Investitionen müssen wir nutzen, um neue kulturelle Räume zu schaffen.“
- Was bleibt nach diesem Abend?

Das Versprechen, eine Art Nachhaltigkeitsvereinbarung, den Dialog zwischen Kultur und Politik weiter zu pflegen, auch unter Einbeziehung der freien Kulturszene. Und die Erkenntnis, dass das Politik-Trio dieses Abends thematisch und perspektivisch große Einigkeit und Übereinstimmung zeigte. Das sollte nach der Kommunalwahl im September zu einem wahrnehmbaren Rückenwind für den Slogan „Aachen macht Kultur“ werden!
Titelfoto oben: Dieter Kaspari