Der Karlspreis oder: zum Glück ein Ausfall

Der Karlspreis oder: zum Glück ein Ausfall

Was uns nicht berührt, kann uns nicht bewegen. Das könnte ein Vorwort sein. Eine Überschrift. Eine Ansage. Eine Analyse. Eine Resignation. Eine Provokation. Ein Wunsch. Ein Dilemma. Ein Zustand. Eine Beschreibung. Eine Zustandsbeschreibung. Nennen Sie es bitte, wie Sie wollen, heute am Tag des ausgefallenen Karlspreises in Aachen.

Berührt Europa uns noch? Oder jetzt, in Virus-Zeiten von Corona und immerwährenden nationalen Alleingängen erst recht nicht mehr? Oder nach dem gemeinsamen Vorstoß von Angela Merkel und Emmanuel Macron in Sachen Wiederaufbaufonds doch wieder, wenigstens ein bisschen?

Aachen. Die Menschen. Die Stadt. Foto: Bernd Mathieu
Aachen. Die Menschen. Die Stadt. Foto: Bernd Mathieu

An diesem Christi-Himmelsfahrt-Tag wäre der Internationale Karlspreis zu Aachen an den rumänischen Staatspräsidenten Klaus Johannis verliehen worden. Vielleicht ist es gut, dass Corona es verhindert hat. Mit diesem Preisträger, wieder ein veritabler Präsident, hat das Karlspreis-Direktorium aktuell wenig Glück. Offensichtlich aus der Not permanenter europäischer Rück- und Nackenschläge geboren, um überhaupt in den glückseligen Zustand feierlicher Verleihung zu geraten, findet sich der bislang so integer scheinende Politiker aus Rumänien mitten in einem ziemlich heftigen Kreuzfeuer wieder.

Das Karlspreis-Direktorium hatte die Verleihung an Johannis unter anderem damit begründet, dass er sich für den Schutz der Minderheiten in seinem Land einsetze. Ausgerechnet am Mittwoch, dem 20. Mai, also exakt an dem Verleihungs-Vorabend, an dem sich Johannis auf dem Aachener Katschhof der Bevölkerung präsentiert hätte, entschied in Rumänien der Nationale Rat zum Kampf gegen Diskriminierung (CNCD), dass Johannis 5000 Lei (rund 1000 Euro) Strafe zahlen muss.

Der Grund: Mutmaßlich, so formulieren wir es mit aller Zurückhaltung, hat der Präsident die ungarische Minderheit in seinem Land verunglimpft. Tatsache ist, dass er in einer Fernsehansprache der Oppositionspartei PSD (Sozialdemokraten) unterstellte, mit Viktor Orbán die Übergabe der rumänischen Region Siebenbürgen (deutschsprachig) an Ungarn vereinbart zu haben. Johannis‘ stammt selber aus Siebenbürgen, und sein Vorwurf lautete, die Sozialdemokraten  würden in „geheimen Büros des Parlaments“ dafür kämpfen, Siebenbürgen an Ungarn zu geben. Wörtliches Zitat: „Was hat Ihnen der Führer aus Budapest, Viktor Orbán, dafür versprochen?“ So formulierte er die Frage an PSD-Chef Marcel Ciolacu. Das kann man nun drehen und wenden und verteidigen, wie man will, fest steht, dass das Staatsoberhaupt des EU-Landes Rumänien dem EU-Land Ungarn vorwirft, separatistische Pläne zu fördern – und möglicherweise aktiv zu planen.

Das alles wäre denkbar ungeeignet gewesen für die traditionelle Feierlichkeit im Krönungssaal, zumal der designierte Preisträger weiterhin zu den Vorwürfen schweigt und sein Umfeld ganz offensichtlich die Vorwürfe als schamlose Propaganda interpretiert. Man hätte heute nur mit gewagten rhetorischen Übungen den europäischen Geist, den europäischen Gestaltungswillen, das europäische Selbstbewusstsein erwecken und den europäischen Neustart raus aus der Depression und der Ratlosigkeit der EU, raus aus den nationalistischen und populistischen Fehlzündungen beschwören können. Für den Mann aus Bukarest hätte das heute als Rettungsschirm nicht gereicht, und für den Karlspreis wäre es keine glänzende Visitenkarte gewesen.  Am Ende kann man über den Ausfall deshalb nur sagen: Glück gehabt!

 

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