Der Freund aus Luxemburg

Der Freund aus Luxemburg

Natürlich werde ich diesen Mann vermissen auf dem europäischen Parkett und auf der gesamten politischen Weltbühne. Fast 20 Jahre war er Außenminister und damit der Dienstälteste dieser Zunft in der Europäischen Union: Jean Asselborn, der großartige Außenpolitiker aus dem kleinen Luxemburg.

Jean Asselborn im Aachener Ludwig Forum bei einer Diskussion im Karlspreis-Rahmenprogramm.

In meiner langjährigen Tätigkeit als Journalist und besonders in den 23 Jahren meiner Tätigkeit als Chefredakteur der Aachener Zeitung habe ich zahlreiche deutsche und ausländische Politiker interviewt. Mit niemandem konnte ich im Laufe der Jahre eine so enge und später dann auch freundschaftliche Beziehung aufbauen wie mit Jean Asselborn.

Es ist ein Europäer aus Fleisch und Blut, ein Europäer mit Vision und Realitätssinn, ein Europäer mit Herz und Verstand, mit Strategie und Mut. Und mit einem feinen Gespür für Werte. Einer, der weiß, was Diplomatie ist und gleichzeitig seine Meinung sagt, klar und deutlich und nicht immer zur Freude europäischer Kolleginnen und Kollegen, vor allem nicht in Ungarn oder Polen, die wohl in den größten Hemmschuhen bei wichtigen EU-Projekten daherkommen – nach dem Motto „Alle Rechte, keine Pflichten“. Ungarn hält er zu „100 Prozent für undemokratisch“ und macht das vor allem an der unerbittlichen Flüchtlingspolitik von Viktor Orban aus. Da nimmt Asselborn kein Blatt vor den Mund!

Jean Asselborn bei einem Redaktionsbesuch in Aachen.

Der Sozialdemokrat Jean Asselborn hat über die Jahrzehnte für Europa gekämpft und war darin immer seinem langjährigen Premierminister und späteren EU-Kommissionspräsidenten, dem Christdemokraten Jean-Claude Juncker, sehr nahe. Die beiden haben sich immer gut verstanden, gerade auch in Brüssel. Und ein ganz enger Weggefährte war für Asselborn über viele Jahre Martin Schulz, der ehemalige Präsident des EU-Parlaments aus Würselen.

Wenn man Jean Asselborn bat, zu einer Veranstaltung nach Aachen zu kommen, war er trotz seines atemberaubenden Terminkalenders da. Nie hat er kurzfristig abgesagt. Nie hat er sich verspätet. Nie hat er über Stress geklagt. Immer war er zugewandt, freundlich, fröhlich, nachdenklich, vor allem: ehrlich. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft wir uns in Aachen und auch in Luxemburg getroffen haben. Die Interviews mit ihm waren in ihrer klaren Sprache eine wohltuende Ausnahme im großen Meer der sonstigen Politiker-Worthülsen und langweiligen Allgemeinplätze.

Es war unser Gast bei Karlspreis-Foren im Krönungssaal, in der RWTH-Aula, im Ludwig Forum, er hatte seine Freude an der AZ-Gala „Menschen“ und an mehreren Besuchen in der AZ-Redaktion, und er war in Luxemburg stets ein perfekter und schließlich vertrauter Gastgeber. Eben eine einmalige Persönlichkeit.

Jean Asselborn bei der AZ-Gala „Menschen 2016“ im Gespräch mit Bernd Mathieu (Mitte) und EU-Korrespondent Detlef Drewes.

Wenn er unterwegs war, rief er in einer kleinen Pause schon einmal an – aus Kairo, aus Brüssel, aus Santiago de Chile, aus Myanmar… Vor einigen Tagen meldete er sich bei mir, weil er nach Bildung einer neuen Regierungskoalition im Großherzogtum Luxemburg mit nun 74 Jahren das Amt aufgibt und sich „offiziell“ verabschiedete. Wir sprachen lange über die aktuelle Politik, über die Ukraine, über Nahost, über die Migration. Und Jean Asselborn klang nicht optimistisch, sondern sehr skeptisch, was die Entwicklungen und vor allem dringend notwendige Lösungen angeht. Gerade in diesen Krisensituationen hält er unverdrossen, überzeugt und überzeugend Europa für wichtiger denn je.

Dass diese europäische Ausnahme-Persönlichkeit trotz der exzellenten Verbindungen zu Aachen nie den Karlspreis bekommen hat, gehört gewiss zur gar nicht so kleinen Liste der Versäumnisse in der Karlspreis-Geschichte und seiner Direktorien.  Der langjährige Brüssel-Korrespondent der ARD, Rolf-Dieter Krause, schrieb dazu vor wenigen Tagen in einem Magazin-Beitrag: „Er hat mehr für Europa getan, als mancher, der mit dem Karlspreis ausgezeichnet wurde. Den hat er nie bekommen. Aber das sagt vielleicht mehr über den Karlspreis aus, als über meinen Freund.“

So ist es.

Wir bleiben in Verbindung und treffen uns bald. „Gerne in Aachen“, hat er gesagt. „Und danach gerne wieder in Luxemburg.“

Fotos: Michael Jaspers; Aachener Zeitung

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