„Wieder ein CHIO-Gefühl!“

„Wieder ein CHIO-Gefühl!“

Rente? „Geht nicht“, hat die Präsidentin Stefanie Peters ihm zu Beginn ihrer Amtszeit gesagt. Er bleibt – bis November 2022. Frank Kempermans Abschiedsfeier muss noch nicht vorbereitet werden. Mit 66 Jahren ist der Vorstandsvorsitzende des Aachen-Laurensberger Rennvereins aktiv wie eh und je. Und das erst recht in diesen für eine Turnierplanung verflixten Corona-Zeiten. Für ihn die schwierigste Zeit in seinen bisherigen 28 Jahren in Aachen.

Sie geht nicht spurlos an ihm vorüber. „Ich merke das, und auch meine Frau merkt es.“ Was geht, was geht nicht? Diese Frage mit Blick auf den CHIO im September hat ihn intensiv beschäftigt. Welche Verordnung wird gültig sein? Welche Inzidenz wird es geben? Wie kurzfristig kann er dann noch reagieren? In Hasselt ist ein Pop-Festival mit über 60.000 Zuschauern erlaubt worden. CHIO im ausverkauften Stadion? Das wäre was! Geht aber nicht – nur die Hälfte der Sitzplätze darf vergeben werden, Stehplätze sind nicht möglich. Frank Kemperman bleibt trotz allem in optimistischer Grundhaltung. „Die Leute müssen wieder ein CHIO-Gefühl bekommen, das ist unser Ziel.“ Mit Eröffnungsfeier, Gastronomie, Ladenstadt, Pferd und Sinfonie. „Wir müssen Sicherheit haben, das ist die erste Voraussetzung für diese Veranstaltung von Weltruf. Alles andere als größtmögliche Sicherheit für Besucher, Sportler und Mitarbeiter kommt für uns nicht infrage.“ Die Karten konnten nur online und personalisiert bestellt werden.

Eine sichere Bank sind dagegen die aktiven Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die sportliche Elite hat zugesagt, sie kann es kaum erwarten, endlich wieder in Aachen zu starten. Fast alle waren mit ihren Pferden schon vor den Olympischen Spielen auf dem CHIO-Gelände: Hier war die mehrwöchige Quarantäne, und die Pferde wurden danach von Lüttich aus nach Japan geflogen.

Eine neue Halle

Eine neue größere Halle, ein zweiter Turnierplatz, der vor allem Jugendstadion sein soll: Die Pläne der Aachener Architekten Kempen Krause liegen in Kempermans Büro. Die Halle hat ein modernes Design und wirkt wie eine spektakulär gestylte Arena. „Mein Ordner heißt Halle 22“, lautet die Antwort auf die Frage nach dem Zeitplan. „Hoffentlich schaffen wir es wenigstens, bis dahin den Grundstein zu legen“, sagt Kemperman mit einer Mischung aus Humor und Skepsis. „Wir sind in der engen Abstimmung mit den Architekten und planen schon die Steckdosen. Der Plan steht. Aber ich habe hier in den 28 Jahren schon viel erlebt am Bau.“

Der ALRV rechnet mit Fördermitteln des Landes Nordrhein-Westfalen und setzt auch Eigenkapital ein, obwohl die Corona-Krise einen erheblichen Einnahmeausfall verursacht hat. Die Tickets von 2020 sind auf 2021 und jetzt auf 2022 verschoben worden. Der Anteil der Eintrittskarten macht immerhin etwa ein Drittel aller Einnahmen aus. Ohne Sponsoren und Fernsehgelder läuft deshalb nichts. Ausfallgelder von Bund oder Land gab es, so Kemperman „fast nicht“.

„Hier in dieser Ecke Europas spielt die Musik im Pferdesport.“ Kemperman erinnert daran, dass auch die meisten amerikanischen Reiter hier einen zweiten Stall haben. „Hier ist viel Know-how.“ Und das komme auch dem neuen „CHIO Aachen CAMPUS“ und der Jugendausbildung zugute. „Unser Campus bringt junge Leute an diesen Sport heran, für uns ein hoch interessantes Projekt.“ Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit dem Aachener Uniklinikum für die Betreuung der Reiterinnen und Reiter, damit sie eine optimale Fitness aufbauen können.

Nicht perfekt: Das Wetter

Hat er weitere Wünsche für die nächsten Jahre, oder ist das Turnier aktuell perfekt? „Das ist nicht perfekt, man hat immer noch Wünsche. Wir haben vieles verbessert und perfektioniert, aber trotzdem geht noch etwas.“ Der sportliche Wert Aachens sei dabei unbestritten. „Aachen war und ist immer etwas Besonderes, das sehen vor allem auch die Aktiven aus aller Welt so. Und genauso muss es bleiben, dass jeder in Aachen reiten will.“ Der Umgang mit den Medien und die Technik hätten sich völlig verändert, das alles entwickele sich rasant weiter, darauf müsse ein moderner Veranstalter reagieren. Konkreter wird er nicht und beantwortet die Frage, was nicht perfekt sei: „Das Wetter.“ Und ganz ehrlich: „Man klaut auch von anderen Veranstaltungen. Ich vergleiche das hier mit Theatervorstellungen, wo ich Schönes sehe. Oder bei anderen Sportarten. Vom Tennis-Turnier in Roland Garros in Paris haben wir uns zum Beispiel bei der Idee mit der großen Siegertafel inspirieren lassen.“ Im Moment spiele vor allem das Thema Klima eine große Rolle. Der ALRV strebe ein papierfreies Turnier an, zum Beispiel mit ausschließlich digitalen Starterlisten.

Endlich wieder Reitturnier: In wenigen Tagen geht es los. Fotos: media-mathieu

Und die Preisgelder werden immer höher, sonst kommen die Spitzencracks nicht mehr, oder Herr Kemperman? „Jein – übrigens das schönste deutsche Wort, das ich kenne. Geld spielt eine wichtige Rolle, aber keine große Rolle. Denn einmal im Jahr wird über Geld nicht gesprochen, auch wenn es vielleicht arrogant klingt: In Aachen ist Geld nicht wichtig. Es muss ein vernünftiges Preisgeld geben, klar, aber kein übertriebenes. In Aachen zu starten, ist für die Reiter enorm wichtig. Die kommen immer.“

Kemperman privat: Er wohnt seit 1978 im beschaulichen Lanaken in Belgien, ist „junger Opa“, stammt aus dem niederländischen Dorf mit dem schönen Namen „Berg en Dal“ bei Nijmegen, sein Herz schlägt für  Oranje, seine Frau ist Maastrichterin. 1978 bei der Reit-WM in Aachen war er noch als Pferdepfleger im Stall. Was für eine Karriere seitdem! Kemperman organisiert, plant, managt, und er drängt sich nie in die erste Reihe. Er arbeitet souverän, nach außen gelassen, bewahrt in allen Situationen die Contenance. „Ich bin nicht das Turnier, das Turnier ist ein Produkt vieler Leute hier im Haus. Das ist ein Team und hängt nicht von einer Person ab. Alle sind stolz auf das Turnier, und das macht Aachen so besonders.“

Kein Abschied, natürlich nicht, sondern nur ein kleiner erster Rückblick. Was war in den 28 Jahren für ihn das Unangenehmste? „Die Covid-Zeit.“ Und das Schönste? „Die 2006-Nummer, die Weltreiterspiele bei uns. Das war so etwas Gewaltiges, davon redet immer noch jeder, der dabei war.“

Erschienen im Stadtmagazin BAD AACHEN, CHIO-Sonderausgabe 2021

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