Sir Peter Ustinov und Aachen
Am 16. April wäre er 100 Jahre alt geworden, dieser grandiose Künstler, Schauspieler, Autor, Regisseur, Erzähler, Maler, Oscar-Preisträger, Weltbürger: Sir Peter Ustinov. Er schrieb viele Drehbücher, mehr als zehn Romane und Erzählungen, über 20 Theaterstücke. Und er inszenierte Opern, trat in den Metropolen dieser Welt auf, war Kanzler der Universität Durham in Nordengland. Dieses einzigartige und phänomenale Multi-Talent (nur selten passte dieser inflationär benutzte Ausdruck wirklich einmal so treffend) hatte eine besondere Beziehung zu Aachen und war mehrfach hier in seiner wunderbaren Rolle als UNICEF-Botschafter. Er besuchte die Aachener Zeitung, die seit 1995 Partner des Kinderhilfswerks ist und dank der zahlreichen Reportagen von Redakteur Manfred Kutsch und seiner Frau Silke ebenso nachhaltige wie einfühlsame Schicksale von Kindern aus vielen Ländern dokumentiert hat. Die Leserinnen und Leser spendeten im Laufe der Jahre mehrere Millionen Euro für verschiedene Projekte.
Im Theater Aachen hatten wir die Freude, vor über 700 Zuschauern eine Matinee mit Sir Peter präsentieren zu dürfen. Bei einem anderen Termin war er unser Redaktionsgast. Er trug sich ins Goldene Buch der Stadt Aachen ein. Und er war über Jahre im 14-tägigen Rhythmus Kolumnist der Aachener Zeitung – exklusiv für Deutschland. Er signierte im Spiegelfoyer des Theaters Aachen unermüdlich UNICEF-Kalender, und er war mit seiner legendären „One-Man-Show“ 1999 der Stargast bei der Wiedereröffnung des Aachener „Quellenhofes“.
Unvergessen bleiben seine Schlagfertigkeit, sein Esprit, seine Nachdenklichkeit, sein Humor. Lachen war für ihn eine „Therapie, das zivilisierteste Geräusch, das man sich vorstellen kann“, sagte er bei unserer Matinee. Und auf die Frage, warum er kein Politiker sein wolle: „Ich kann mich nicht dauernd so benehmen, als ob ich immer Recht hätte…“ Und: „Es ist schlimm, dass Kinder unter dem dümmsten Benehmen der Erwachsenen leiden müssen.“
Er redete meist nur, wenn er gefragt oder darum gebeten wurde. Kein Wort zuviel. Keins zu wenig. Er beobachtete genau, war stets präsent und kommentierte manches pantomimisch ohne Worte. Ein grandioses Beispiel dieser einmaligen Kunst schenkte er meiner Frau Sabine, Aachener Stadtführerin, und mir, als wir mit ihm durch die Aachener Altsadt spazierten und Sabine ihm die Figuren des Puppenbrunnens erklärte, die er dann in eleganten Bewegungen nachahmte. Ergebnis: Innerhalb kurzer Zeit hatten wir einen ziemlich großen Kreis an begeisterten Zuschauerinnen und Zuschauern.
Und er war ein Auto-Narr, besaß wertvolle Oldtimer, sein liebster und bester, so sagte er selber, war ein Maserati Quattroporte. Aber es musste nicht immer ein Bolide sein. In Aachen sah er vor dem „Quellenhof“ den kleinen Smart, der erst wenige Monate auf dem Markt war, und wollte unbedingt damit fahren. Gott sei Dank war es ein Vorführmodell, das vom Hotel ausgeliehen war. Was für ein Erlebnis – unterwegs mit dem Weltstar im kleinen Smart in Richtung Bastei, links abgebogen in die Monheimsallee, bei roter Ampel der Stopp am Hansemannplatz und dann Sir Peters Kommentar: „Schauen Sie mal, Herr Mathieu, die Leute gucken. Erst denken sie, was für ein kleines Auto, und dann denken sie, der Fahrer sieht ja aus wie Peter Ustinov. Und nur Sie und ich wissen, er ist es wirklich.“
Die Begegnungen mit diesem einzigartigen Menschen werde ich nie vergessen. Sie gehören zu den schönsten Erinnerungen meines langen journalistischen Lebens. Im Frühjahr 2004 hatten wir uns wieder einmal verabredet – zu einem Interview im Dom-Hotel Köln. Es kam nicht mehr dazu. Am 28. März 2004 starb Sir Peter Ustinov in seiner Wahlheimat Schweiz.
RETROspektive-Motiv: Emil Ciocoiu