Was aus Aachen mal werden soll…

Was aus Aachen mal werden soll…

Das könnten Städte sein, die wir mit Aachen vergleichen könnten, wenn, ja, wenn dieses „Könnten“ eine realistische und einigermaßen faire Vergleichsbasis hätte. Was in Kopenhagen, Münster oder im hier oft geradezu schwärmerisch genannten Maastricht besser, schöner, strukturierter, wohlanfühlender, attraktiver und überhaupt gelungener ist, könnte man aufzählen. Und vieles stimmt: Das betrifft die Radwege, die Fußgängerzonen, die Vielfalt der Gastronomie, die Sauberkeit und vor allem die Innenstädte mit weniger Autos. Letzteres wollen einige hier wiederum nicht so gerne hören. Kurzum: Citymanager in Aachen zu sein, macht zwar Spaß, ist aber eine nicht zu unterschätzende Herausforderung und die Kunst des Machbaren.

Dr. Daniela Karow-Kluge und Kai Hennes versprühen bei unserem Gespräch in ihrer „Planbar“ neben dem Theater Optimismus. Das scheint keine vorübergehende Momentaufnahme zu sein. Diese Melange aus persönlicher Energie und trotz Öcher Lamento immer noch vorhandener kaiserstädtischer Dynamik bleibt die einzige Chance, wenn sich etwas ändern soll. Nur so wird der auch im kommunalen Wahlkampf beschriebene Stillstand überwunden.

Daniela Karow-Kluge kann eine Menge an Städten mit ihren Entwicklungen vergleichen und analysieren. Die ausgebildete Gärtnerin und an der Leibniz Universität Hannover promovierte Landschaftsarchitektin- und Freiraumarchitektin hat unter anderem in den Niederlanden studiert und gearbeitet. Sie nennt als weitere berufliche Stationen unter vielen Destinationen Hamburg, Wien, Kapstadt, den Oman und die RWTH Aachen, wo sie vor ihrem Wechsel zur Stadt Aachen 2018 zehn Jahre lang wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät für Architektur war. Kai Hennes kam im Februar dieses Jahres aus Bremen nach Aachen. In den letzten zehn Jahren hat er im Auftrag für Ministerien, Länder und Kommunen Förderprojekte geleitet mit einem Fokus auf der Zukunftsbranche Kultur- und Kreativwirtschaft. Er ist Berater für Gründer und Startups, Moderator von Workshops und Events und hat in Aachen studiert.

Die Citymanagerin Karow-Kluge weiß, dass Städte wie Kopenhagen, Maastricht und Münster im Citymanagement mindestens 20 Jahre Vorsprung haben – und eine gewachsene Struktur mit einem entsprechenden Mitarbeiterstab, den es in Aachen nicht gibt. Deshalb hinke mancher Vergleich mit Aachen. Als Citymanager sind die Zwei derzeit alleine unterwegs , werden aber unterstützt von den Kollegen aus ihren Fachbereichen. Zum Beispiel in der Gestaltung von Leerstandsflächen. Kai Hennes hat zahlreiche Gespräche mit Eigentümern und Inhabern geführt und einige für das Projekt „Citygold – Kreativität statt Leerstand“ gewinnen können. Mehrere Schaufenster werden bereits kreativ genutzt. Erste Aussteller sind in der Großkölnstraße 62 „Pacific Garbage Screening“, ein Aachener Startup, das Flüsse und Ozeane von Plastikmüll befreien möchte, und „Laserkatze Aachen“, die in ihrer Designmanufaktur Unikate aus Holz mit dem Lasercutter herstellt. In der Wirichsbongardstraße 36 zeigen die Illustratorin Annika Kuhn und Autor Martin Grolms ihre Kinderbücher, Produkte und Geschichtenwelten rund um „Pinipas Abenteuer“. Weitere Projekte werden bald folgen.

Für Kai Hennes war es wichtig, mit den Eigentümern ins Gespräch zu kommen. Seine Erfahrung? „Insgesamt durchwachsen und in einigen Fällen ausgesprochen positiv.“ Daniela Karow-Kluge: „Wir brauchen noch mehr Eigentümer, die mitmachen, mittlerweile kommt der Stein ins Rollen.“ Die Stadt Aachen will zehn leerstehende Ladenlokale anmieten und sinnvoll nutzen. Kai Hennes: „Dort soll Platz geschaffen werden für Projekte aus der Wirtschaft, der Wissenschaft, dem Handel und für junge Gründer.“ Den Citymanagern ist klar, dass solche Angebote keine Dauerlösung sind, sondern die Stadt nur eine Zeitlang beleben und zeigen, was möglich sein kann. Hennes: „Citygold ist kein Mittel, Leerstand dauerhaft zu bekämpfen, aber wir kommen darüber mit Eigentümern in Kontakt.“ Einige seien interessiert, neue Wege zu gehen. Karow-Kluge: „Dazu gehört, dass es Mietern, für die alleine ein Objekt zu groß ist, ermöglicht wird, in einem Ladenlokal gemeinsam etwas mit anderen Mitstreitern zu unternehmen, also tagsüber Friseursalon, abends Bar – zum Beispiel.“ Da verstehen sich die Citymanager als „Impuls- und Ideengeber“ und wollen in Reallaboren testen, was möglich ist, wie etwa am Theaterplatz mit der Tanzperformance der Compound Company und ARTbewegt e.V. und der geänderten Verkehrsführung und den gewonnenen Freiflächen. Als unmittelbare Anwohner sammeln sie Meinungen von Passanten und verfügen über entsprechendes Erhebungsmaterial.

Beide wissen, dass es nicht ausreicht, nur einfach eine Straße zu sperren, wenn es keine flankierenden Maßnahmen in der Gesamtplanung gebe. Das gelte für Pendler, Innenstadtbesucher, Parkmöglichkeiten am Stadtrand und eine attraktive Verbindung in die City. In der Mobilität habe Aachen erheblichen Nachholbedarf. Das Ziel lautet unverdrossen, Aachen jetzt noch zukunftsfähiger zu gestalten, und zwar miteinander: „Bei allen vorgestellten Themen gilt: Mitmachen ist herzlich erwünscht“, sagen beide. „Citymanagement ist ein dynamischer Prozess. Es kann sein, dass wir Ideen und Ansätze wieder verwerfen oder mehrere miteinander verbinden. Es soll ein offener Prozess sein, gemeinsam mit allen, die mitmachen wollen.“

Und der Einzelhandel? „Aachen hat eindeutig eine viel zu hohe Zahl an Einzelhandelsflächen“, nennt Daniela Karow-Kluge aus ihrer Sicht eine Ursache des Leerstands. Nahezu alle deutschen Städte stünden zudem vor der Herausforderung, das drastisch veränderte Kaufverhalten (Internet) zu bewältigen, ergänzt Kai Hennes. Parallelen sieht Karow-Kluge zudem in typischen Beurteilungen von Besuchern deutscher Innenstädte, wie sie in ihrem Forschungsprojekt über öffentliche Räume festgestellt hat. „Immer wieder hören wir, die Innenstädte seien zu dreckig, zu ungepflegt und es gebe zu viele unerwünschte Nutzergruppen. Das ist also kein Alleinstellungsmerkmal von Aachen.“ Für beide Citymanager besteht dennoch kein Anlass zu relativieren oder zu beschönigen. „Wir haben Lust darauf, etwas zu verbessern, und das ist eine Herausforderung“, formuliert das Kai Hennes.

Dazu gehören kleinere überraschende Dinge wie etwa die bislang so hässliche 20 Meter lange Sperrholzfassade, die nun am Dahmengraben Basis eines Kunstwerks von Graffiti-Künstler Michael Gerst ist. Weitere Street-Art-Projekte seien, so Hennes, „in der Mache“. Die Tanzperformance rund um den Theaterplatz mit der Nutzung versteckter Nischen gehörte auch in die Reihe, Freiräume kreativ zu nutzen. „Das ist ganz viel Überzeugungsarbeit“, weiß Daniela Karow-Kluge aus diesen ersten Erfahrungen. Aber es kommt Bewegung in die Chose. Die Hochschule für Musik und Tanz gehört jetzt zu den Mitmachern rund um Theaterplatz und Borngasse. „Es lohnt sich am Ball zu bleiben“, freut sich die Citymanagerin.

Welche Rolle spielt Wohnen in der Stadt? Was wird Kindern an Aktionen, Bühnen, Lesungen, Theater angeboten? Wie kann die Außengastronomie verbessert und erleichtert werden, etwa auch in Genehmigungsverfahren? „Ideen sind da“, sagt Kai Hennes. Die Citymanager wollen Vermittler sein. Der Fokus liegt also nicht nur auf den Leerständen. Wie soll die Aachener City eines Tages aussehen? Daniela Karow-Kluge schwärmt von Kopenhagen. Da hat man schon vor vielen Jahren angefangen, die Stadt für das 21. Jahrhundert zu gestalten. Ich wünsche mir Aachen als Stadt, die mutiger ist Dinge konsequent anzugehen, etwa die Mobilitätswende oder bei der Qualität öffentlicher Räume, da haben uns andere viel voraus. Wir müssen den Hebel umlegen – miteinander.“

Kontakt: Citymanagement Aachen in der Planbar, Theaterplatz 7, 52062 Aachen, Sprechzeiten:
Di 14.30 – 16.30 Uhr, Fr 12.00 – 14.00 Uhr, weitere Termine nach Vereinbarung, www.citymanagement-aachen.de

Im Print erschienen im Oktober-Heft des Stadtmagazins BAD AACHEN.

Fotos: media-mathieu.

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