Der Präsident, die Bürger und die Corona-Hooligans

Der Präsident, die Bürger und die Corona-Hooligans

Der Bundespräsident hat sich sehr deutlich geäußert, die Sprache zurückhaltender Diplomatie ist hier auch nicht angebracht. „Reichsflaggen und rechtsextreme Pöbeleien vor dem Deutschen Bundestag sind ein unerträglicher Angriff auf das Herz unserer Demokratie. Das werden wir niemals hinnehmen“, sagt Frank-Walter Steinmeier.
Das ist kein leeres Bedeutungsgetöse einer Sonntagsrede, sondern eine ernsthafte Sorge um Zustand und Ansehen unseres Staates. Diese von Rechtsextremen und Verschwörungsdesperados unterwanderten Demonstrationen sind längst außerhalb jeder bürgerlichen Kontrolle geraten. Wenn Menschen Corona für das Werk einer korrupten Bande aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Bill Gates halten, mag man das noch kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen. Diese durch Verharmlosung kodierte Sprachwelt konnten wir als misslungenes Aperçu einer öffentlichen Debatte, eines zur Demokratie gehörenden Streits empfinden. Aber seit Samstag hat diese Auseinandersetzung eine andere Dimension.
Dieser Krieg gegen die Wirklichkeit hat ab sofort keine Aussicht mehr auf ein zeitnahes Friedensabkommen im Gewand einer wenigstens minimalen Streitkultur. Wenn Steine und Flaschen fliegen, geht es nicht mehr nur um niedriges Niveau und große Klappen, da sind Hass und Intoleranz unterwegs. Warum die Anderen, die durchaus Seriösen, die individuell Besorgten das unverdrossen mitgehend tolerieren, bleibt ihr Geheimnis. Sie bilden eine von den Extremisten höchst willkommene Kulisse für Demagogie und Populismus in aggressivster Form. Der Krawall auf der Straße spielt die Hauptrolle.
Das kann man spätestens seit Samstag nicht mehr mit schlechtem Benehmen und unsäglichen Manieren abtun, auch nicht als temporäre Entgleisung: Diese geballten und eingesetzten Fäuste, dieser hinaus geschriene Hass, die fliegenden Flaschen und Steine sind Alarmzeichen für unsere Gesellschaft. Die Berliner Samstage drohen zum gewaltsamen Freizeitpark von immer mehr Corona-Hooligans zu werden. Das alles bewegt sich diffus zwischen fratzenhaften Verzerrungen und pathetischen Inszenierungen, zwischen ernsthaft demonstrierenden Bürgerinnen und Bürgern und Heißspornen, die einem ideologischen Fanatismus erlegen sind.
Corona beschert uns leider auch diese Herausforderung und macht uns hoffentlich sensibler und aufmerksamer für die Gefahren eines überhaupt nicht ausgestorbenen und zu unterschätzenden Extremismus. Dagegen zu reden, zu handeln, den Mund aufzumachen, ist nicht nur eine Angelegenheit des Bundespräsidenten.

Ein Gedanke zu „Der Präsident, die Bürger und die Corona-Hooligans

  1. In der Sache kein Blatt vor den Mund nehmend, bedrückend treffend, emotional mitnehmend, sprachlich brillant. Bernd, Deine Worte sind Teil eines Zeugnisses unserer Generation, dass wir in jenem Corona-Spätsommer 2020 diese abstruse Brühe von Nazis und Verschwörer-Hirnis, soft begleitet von irritierten Normalos & besorgten Idealisten &, wahrnehmen und uns angewidert wehren. Danke. Meine Sorge: Wer und was fängt die ein?

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