Dürer und Aachen. 2021 kommt er zurück.

Dürer und Aachen. 2021 kommt er zurück.

Peter van den Brink hat die Aachener Dürer-Ausstellung konzipiert, organisiert und kann sie endlich im nächsten Jahr realisieren. Über die Hintergründe habe ich mit ihm ausführlich gesprochen.

Wie entsteht eine solche Ausstellung, eine so extraordinäre, extravagante, extraoriginelle? Peter van den Brink, der Direktor des Suermondt-Ludwigs Musums, ist in Aachen immer für eine nachhaltige Überraschung gut: Sein Netzwerk bietet ihm die Chance, für die Größenordnung Aachens Außergewöhnliches in kulturelle Szene zu setzen, das weit über Aachen hinaus Beachtung findet. So ist und wird es mit Dürer sein, der Performance, die wegen Corona von Oktober 2020 auf Juli 2021 verschoben werden muss. Die Ausstellung „Dürer war hier. Eine Reise wird Legende“ im Suermondt-Ludwig-Museum wird am 18. Juli 2021 eröffnet – feierlich im Krönungsssal und wahrscheinlich in Anwesenheit des Schirmherrn, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Die Dürer-Bilder werden bis zum 24. Oktober 2021 in Aachen präsentiert. Das Suermondt-Ludwig-Museum kooperiert mit der renommierten National Gallery London. Hier wird die Ausstellung wie geplant vom 6. März bis zum 13. Juni 2021 gezeigt. Über die Hintergründe der Ausstellung habe ich mit Peter van den Brink gesprochen.

Zu den Gründen für die Verschiebung gehören mögliche Absagen von Leihgebern, sind das viele?

Van den Brink: Noch nicht, aber ich weiß nicht, was passiert. Sehr früh haben wir die Absagen der Archive aus Nürnberg und Bamberg bekommen. Sie möchten nicht, dass Leihgaben in Corona-Zeiten unterwegs sind. Dazu gehört auch die Abschrift des Reisebuchs. Das ist das Kernobjekt der Ausstellung.

Klappt es denn für das nächste Jahr?

Van den Brink: Ja, im nächsten Jahr wird es ausgeliehen. Das steht nun fest.

Wie verhalten sich in Corona-Zeiten die amerikanischen Leihgeber?

Van den Brink: Für dieses Jahr gab es mehrere Absagen, zum Beispiel vom Isabella Stewart Gardner Museum in Boston. Das Dürer-Porträt muss restauriert werden, bevor es auf die große Reise geht, aber wegen Corona kommen die Restauratoren derzeit gar nicht an das Bild heran. Das hätte wahrscheinlich bis Oktober nicht geklappt. Es gibt weitere wichtige amerikanische Leihgaben etwa aus Washington, New York und von Harvard und bisher keine Absagen für 2021.

Und Europa? Paris mit Louvre und Petit Palais, Florenz mit den Uffizien, Antwerpen mit dem Palais der schönen Künste, die Albertina Wien, Dresden, Lissabon, Madrid – alles noch aktuell?

Van den Brink: Ja, wir haben bei den wichtigsten Leihgebern nachgefragt, und das bleibt aktuell auch für 2021.

Es sind mehr 140 Exponate.

Van den Brink: Mit unseren eigenen Dürer-Werken sogar etwas mehr, insgesamt ungefähr 160.

Wann haben Sie mit der Planung der Ausstellung begonnen?

Van den Brink: Kurz vor Ende der Karls-Ausstellung 2014. Das habe ich damals bei der Abschluss-Pressekonferenz schon angekündigt. Dann hat man die beste Chance, das durchzuziehen!

Wie fangen Sie an – mit den Werken im eigenen Haus?

Van den Brink: Nein. Ich beginne mit einer Geschichte. Also mit der Reise.

Es hat Sie besonders gereizt, weil es in die Niederlande ging.

Van den Brink: Natürlich. Bisher gab es dazu erst eine Ausstellung, 1977 in Brüssel. Die habe ich als junger Student mit meinen Eltern gesehen. Ich kann mich nur erinnern, dass es eine fürchterlich chaotische Ausstellung war. Da gab es sehr Vieles, aber nicht viel von Dürer.

Und in Aachen?

Van den Brink: Das klappt hier besser. Natürlich wissen wir jetzt wesentlich mehr als damals – von den Künstlern in Antwerpen, Brüssel, Mechelen und Brügge.

Haben Sie sich zum ersten Mal so intensiv mit Dürers dreiwöchigem Aufenthalt in Aachen beschäftigt?

Van den Brink: Natürlich. In der Literatur war nicht viel Neues zu finden. Es gibt zwei Aufsätze im Katalog über das Silberstift-Skizzen-Buch der niederländischen Reise von den Autoren Christof Metzger und Arnold Nesselrath. Beide sind der Meinung, dass von den in Aachen entstandenen Blättern nur eine fehlt. Wir haben 15, es müssen also 16 gewesen sein. Dazu gehört das Rathaus. Diese Zeichnung befindet sich in Chantilly und wird leider nie ausgeliehen. Die dürfen wegen eines Vertrags mit einer Familie nicht mal an den Louvre ausleihen. Aber wir werden den Katschhof sehen, den uns das British Museum London ausleiht. Das in Aachen entstandene Blatt mit den zwei Nürnberger Ratsherren, das in Berlin ist, hat eine interessante Rückseite. Man kann einige Linien sehen, und Christof Metzger ist der Meinung, dass es das Interieur vom „Spiegel“, damals eine Kneipe in Aachen, ist. Das wird zurzeit in Berlin erforscht. Wir versuchen, das Blatt nach Aachen zu bekommen. Ich mache da weiter Druck und hoffe, dass wir auch die Rückseite anschauen können. Das wäre das erste Mal!

Albrecht Dürer, Aachener Dom und Katschhof, 1520_© The Trustees of the British Museum

Gibt es noch ein anderes ganz besonderes Aachener Blatt?

Van den Brink: Ja, ich versuche gerade, es in Nürnberg zu bekommen. Es zeigt ein Pferd und einen kleinen Hund und Fliesen, die wohl vom Dom sind. Das Pferd ist das Pferd der Krönungen. Christof Metzger ist da absolut sicher. Dieses Blatt hätte ich für dieses Jahr nicht bekommen.

Sie kennen weltweit viele Besitzer von Bildern, die jetzt ihre Werke zur Verfügung stellen. Beißen Sie bei anderen auf Granit?

Van den Brink: Es kommt vor, aber selten. Zwei Häuser leihen nicht aus, weil sie an ein Testament oder einen Vertrag gebunden sind, das Bonnat-Museum in Bayonne und Chantilly. Das Gardner-Museum in Boston darf jetzt drei Bilder im Jahr ausleihen. Dass eines davon zu uns kommt, sagt aus der Sicht der Leihgeber etwas über die Qualität der Ausstellung in Aachen aus. Dieses Bild ist nur uns zugesagt worden, nicht London.

Welche Kosten entstehen für den Transport, die Restaurierung, die Versicherungen? Was kostet die Ausstellung?

Van den Brink: Wir haben bis jetzt zweieinhalb Millionen Euro geplant.

Wie hoch ist der Versicherungswert der Ausstellung?

Van den Brink: Er liegt bei etwa 450 Millionen Euro. Wir rechnen mit ungefähr 300.000 Euro an Versicherungsprämien.

Wer finanziert die 2,5 Millionen?

Van den Brink: Ich habe ungefähr 1,2 Millionen an Fördergeldern eingeworben. So viel haben wir in Aachen noch nie zusammengebracht. Dazu gehören das Land Nordrhein-Westfalen mit 300.000 Euro die Kunststiftung NRW mit 200.000, die Kulturstiftung der Länder mit 100.000 Euro. Dazu kommen Spenden von Unternehmen aus dem Kunstbereich und 100.000 Euro von der Sparkasse Aachen, wo ich gemeinsam mit dem Oberbürgermeister war, und die Eintrittsgelder. Wir erwarten 100.000 Besucher.

Wann und wie ist der Kontakt zu London entstanden?

Van den Brink: Ich war Ende Juni/Anfang Juli 2017 bei Versteigerungen von Sothebys und Christie‘s in London. Dort trifft man viele Sammler, Händler und Kollegen. Und ich war mit Susan Forster, der stellvertretenden Direktorin der National Gallery und Chefkuratorin verabredet. Ich habe ihr den Ausstellungsentwurf als Power-Point-Präsentation vorgelegt, und sie war total begeistert. Das war genau in dem Moment, als unser erster gewünschter Partner, Antwerpen, abgesprungen war.

Also ist London zweite Wahl?

Van den Brink: London ist zweite Wahl. Schön, dass man das aus Aachener Sicht sagen kann. Ich habe gar nicht versucht, Susan und die National Gallery als Partner zu bekommen, weil es noch andere Kandidaten gab. Das BOZAR Brüssel und das Petit Palais in Paris gehörten dazu. Einen Tag vor meiner Abreise nach Paris, fragte mich dann Susan Forster, ob wir das Projekt zusammen machen könnten. Sie war wahnsinnig enthusiastisch. Wir haben das dann in Aachen beraten und waren uns alle einig, dass London der ideale Kandidat ist.

Er hat die Ausstellung geplant: Peter van den Brink. Foto: Bernd Mathieu
Er hat die Ausstellung geplant: Peter van den Brink. Fotos (2): Bernd Mathieu

Haben Sie eine neue Beziehung zu Dürer bekommen?

Van den Brink: Ja. Dass dies bei Dürer so ist, hat auch mit meinem eigenen Fachbereich zu tun: Antwerpen, Brüssel, Brügge, das ist mein Umfeld, da kenne ich ja alle! Und Dürer war für mich selbst eine unglaubliche Überraschung –  was er geschrieben, gezeichnet gemalt hat während dieser Reise. Ich habe viel gelernt. Ich bin zwar kein Dürer-Spezialist geworden, aber ich habe innerhalb eines Jahres  drei Aufsätze über Dürer geschrieben. Das hätte ich selber nicht erwartet. Ich habe sogar in Besançon eine ganz kleine Feder-Zeichnung entdeckt. Kurzum: Dürers Grafik hat für viele andere Künstler eine entscheidende Rolle gespielt. Jeder kannte seine Arbeit. Er gehört zum Kreis der zehn wichtigsten Künstler aller Zeiten.

Auf einen Blick:

Dürer traf am 7.Oktober 1520 in Aachen ein. Er war auf dem Weg in die habsburgisch regierten burgundischen Niederlande und führte Tagebuch über diese legendäre Reise in Form eines Rechnungsbuchs mit vielen Notizen über die niederländische Reise 1520/21. Er traf zahlreiche namhafte Künstler. In Aachen gibt es eine Ausstellungstrias: im Suermondt-Ludwig-Museum vom 18. Juli 2021 mit dem Titel „Dürer war hier. Eine Reise wird Legende.“ Die Ausstellung „Der gekaufte Kaiser. Die Krönung Karls V. und der Wandel der Welt“ findet wie geplant im Oktober 2020 im Centre Charlemagne statt und wird am 23. Oktober eröffnet. Die Ausstellung „Bon Voyage! Reisen in die Kunst der Gegenwart“ im Ludwig Forum  startet am 13. November 2020.

Das Interview ist zuerst in der Juli-Ausgabe des lesenswerten Magazins BAD AACHEN erschienen.

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