Werben wir um Vertrauen!
Manchen schlägt derzeit das trübe Wetter aufs Gemüt. Eine nachhaltigere permanente Störung unserer Befindlichkeit sind Krisen und Kriege. Für immerwährende Fassungslosigkeit sorgen unkontrollierte Machthaber wie Putin. Ärgern tut uns manches Ampelflackern, Jammern hält uns auf dem Schlechte-Laune-Pfad in Bewegung, wenn es um Energiedebatte, Migration, Bauernopfer, Preiserhöhungen, Gesundheitssystem, Bahn-Chaos, Mobilitätswende und andere als unzumutbar etikettierte Empfindungen in unserem Alltagsleben geht.
Das alles ist selbst in der Addition nicht der Untergang des Abendlandes in deutschen Gefilden. Es ist ein Beispiel für die Relativität gefühlten oder nicht mehr gefühlten Wohlstands. Trotz allem geht es den meisten Menschen in Deutschland gut. Nicht gut ist der Umgang mit den tatsächlichen und nur scheinbaren Zumutungen und Belastungen, den Veränderungen, den nötigen und völlig unnötigen. Und wirklich schlimm ist der dramatische Verlust an Vertrauen in große Teile der Politik, der Institutionen, der Kirchen, der Verbände, der Medien, der Unternehmen – in jene, die mit ihrem Handeln zu oft bewirken, dass rechtsextreme Parteien so stark geworden sind in Deutschland und Europa.
Werben wir um Vertrauen! Vertrauen muss persönlich nachvollziehbar sein. Es ist nicht nur Rhetorik, sondern praktizierter Anstand. Respekt vor dem anderen hat mit Niveau, mit Benehmen, mit Erziehung, mit Charakter zu tun. Was für Armutszeugnisse erleben wir gerade wieder in den asozialen Medien! Welche aufgeladene Atmosphäre heizt die Debatte um die Aachener Innenstadt und ihre nicht länger zu verschiebende Veränderung unerträglich an, wenn eine Stadtplanerin ihren Arbeitsplatz wechselt und mit übelsten Beschimpfungen und Verunglimpfungen öffentlich und sehr persönlich beleidigt wird. Das hat mit Streitkultur, die sein muss, soll, darf nichts mehr zu tun. Im Gegenteil: Eine sachliche Auseinandersetzung um die beste Lösung für diese Stadt wird damit verhindert.
Ob man das lächerliche und mit 42.000 Euro viel zu teure „Spielgerät“ in der Großkölnstraße öffentlich brandmarkt, ob man sich über den Templergraben aufregt, ob man das Zwischenzeit-Gedöns am Büchel in die Rubrik „gewollt und nicht gekonnt“ einsortiert, ob man sich am Streit zwischen radelnden Gutmenschen und autofahrenden Umweltverpestern beteiligt, egal, gut, schlecht, richtig, falsch. Das müssen allerdings Beiträge zum Sachstand sein, keine verunglimpfenden Frontalangriffe gegen die, die es mit mehrheitlicher Rückendeckung so her- und anrichten. Weil es das Prinzip der Demokratie ist, Mehrheiten zu akzeptieren und zu kritisieren, was, gerade in Aachen, zuweilen auch die schnell indignierten Regierenden intensiver als bisher zur Kenntnis nehmen sollten.
Wie Menschen miteinander umgehen, sich anpöbeln, beleidigen und der Rücksichtslosigkeit und der Dreistigkeit stets die besten Plätze reservieren, ist zunehmend atemberaubend. Man staunt über manches unverfrorene und anmaßende Verhalten spürbar öfter als noch vor Jahren. Das müssen wir ändern – und trotz aller Krisen und Gemütsbelastungen auch wieder ein Stück gelassener und gelegentlich fröhlicher werden.
Mit Engstirnigkeit, Unfreundlichkeit und Intoleranz schafft man keine großen Werke. Unsere Werte, unsere Demokratie, unsere Kompetenz, unser Esprit, unsere Freude am Gestalten und an Verantwortung dürfen uns nicht abhanden kommen. Verlieren wir über allzu viele Banalitäten und überflüssige Aufgeregtheiten nicht unsere lebendige Kultur im Umgang miteinander und füreinander. Hüten wir uns davor, immer unnachgiebiger tiefe Schlaglöcher in unsere so überlebenswichtige demokratische, offene, streitbare und letztlich so faszinierende Gesellschaft zu reißen, die irgendwann, wenn es längst zu spät ist, nicht mehr mit billigem Asphalt zu übertünchen sind.
Ein gutes neues Jahr!
3 Gedanken zu „Werben wir um Vertrauen!“
Du hast es mal wieder auf den Punkt gebracht. Dem kann ich mich nur anschließen.
Treffend formuliert. nur: Was und wo sind eigentlich noch unsere „Werte“. Ich sehe ein immer stärker werdendes Eingehen auf die Befindlichkeiten anderer, statt unsere „Werte“ erst einmal zu definieren, um sie dann hochhalten zu können.
Der Befund stimmt: die Stimmung ist mies, weil wir selten schlecht regiert werden.Und dass dadurch der Ton aggressiver wird, ist ein natürlicher Reflex. Und dass die einstigen Mehrheiten inzwischen nur noch auf dem Papier stehen, auch eine Binse. So gesehen kann es eigentlich nur besser werden, sofern die Regierung auf vox populi hörte. Danach sieht es einstweilen nicht aus, schlecht für die Stimmung.