Die neue Ehrensenatorin: Gisela Engeln-Müllges.

Die neue Ehrensenatorin: Gisela Engeln-Müllges.

„Wer, wenn nicht sie?“, beginnt die FH Aachen ihre Pressemitteilung über die neue Ehrensenatorin Prof. Dr. Gisela Engeln-Müllges. Sie habe die Hochschule geprägt „wie kaum jemand sonst, auch über ihre Dienstzeit hinaus“. Fast 15 Jahre lang, von 1991 bis 2005 bekleidete die Mathematikerin das Amt der Prorektorin für Forschung, Entwicklung und Technologietransfer. Seit seiner Gründung 2008 ist sie Mitglied des Hochschulrats der FH Aachen, seit 2013 dessen stellvertretende Vorsitzende. Ein Porträt von Bernd Mathieu.

Gisela Engeln-Müllges! Dieser Name hat Klang, salopp gesagt: Sound. Diese Frau ist eine ganz und gar außergewöhnliche Persönlichkeit. Sie kommt stets als Individuum besonderer Provenienz daher: unverwechselbar in ihrer wissenschaftlichen Kompetenz, unerreicht in ihrem auf so vielen Ebenen einfach grandiosen Engagement, geradezu unbeschreiblich in ihrem so liebenswerten Wesen; denn das muss man schon selber erleben.

Man könnte nun in einer kleinen rhetorischen Sprachübung weitere Begriffe, zum Beispiel mit „un-„, auf der Landkarte der persönlichen Würdigung platzieren. Das Spek­trum reichte von unangepasst über unbeirrbar bis unangefochten. Fassen wir dieses Unbehagen, mit noch so vielen Wörtern das gesamte Spektrum nicht erfassen zu können, lieber in einem Wort zusammen: Universalgenie.

Wisssenschaft und Kunst

Mag für manchen auch eine gewisse, aber doch nur sympathische klitzekleine rheinische Übertreibung in diesem Superlativ liegen, so trifft er am stärksten den Kern: Gisela Engeln-Müllges ist eine herausragende Wissenschaftlerin und Mathematikerin, eine renommierte Autorin zahlreicher Fachbücher und eines Standardwerks der Numerischen Mathematik in mehrfacher Auflage, sie kann auf eine Fülle von Ämtern, Auszeichnungen, Ehrungen und Berufungen verweisen. Und im jetzt folgenden Exkurs seien nur einige beispielhaft genannt: seit 1982 Professorin am Fachbereich Maschinenbau der Fachhochschule Aachen, Lehrgebiet Numerische Mathematik und Datenverarbeitung; 1991 bis 2005 Prorektorin für Forschung, Entwicklung und Technologietransfer an der FH Aachen und Stellvertreterin des Rektors; 1997 bis 2003 Mitglied des Wissenschaftsrates der Bundesrepublik Deutschland, berufen von Bundespräsident Roman Herzog; 2000 bis 2004 Mitarbeit in Kommissionen der Wissenschafts- und Kultusminister Sachsen-Anhalt, Saarland, Thüringen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz (dort als Vorsitzende).

2005, nach der Pensionierung, bleibt sie im Unruhestand. Sie wird Vorsitzende der Expertenkommission „Standortentwicklung Jülich der FH Aachen“; seit 2008 Mitglied des Hochschulrates der FH Aachen, Vorsitzende der Arbeitsgruppe Standortentwicklung am Campus Jülich; seit 2008 Vorsitzende des Hochschulrates der FH Münster.

Belassen wir es bei dieser Aufzählung, die als Testat für ihre wissenschaftliche Exzellenz genügen muss; denn die Tenazität, mit der Gisela Engeln-Müllges seit Jahrzehnten auf Wissenschaftstour ist, spricht für sich und bedarf keiner weiteren Zeitungszeilen.

Halt! Wir sollten exemplarisch noch ein Ereignis erwähnen. 2005 erhielt sie die Ehrendoktorwürde der Technischen Universität Nishnij Nowgorod, nach Moskau und St. Petersburg mit 1,4 Millionen Einwohnern drittgrößte Stadt Russlands. Die Russen würdigten damit eine äußerst erfolgreiche achtjährige Zusammenarbeit. Es war erst die sechste Ehrendoktorwürde, die diese Universität verlieh.

Bringen wir es auf den Punkt: Gisela Engeln-Müllges hat die Entwicklung und das Wachstum der FH Aachen ein Vierteljahrhundert geprägt und nachhaltige Spuren hinterlassen. An der FH und in Medien nannte man sie „Turbo-Gisela“, kurz „EM“ oder auch die „Liz Taylor der Numerischen Mathematik“. Ihre Biografie spiegelt die Rasanz ihres Lebenswegs wieder: geboren am 2. März 1940 in Leipzig, aufgewachsen in der DDR, italienische Großmutter, Metzgertochter, Probleme mit dem Regime, Ausweisentzug, Arbeit als Krankenschwester und Verkäuferin, kurz vor dem Mauerbau Flucht in den Westen, Studium der Mathematik an der RWTH Aachen. Sie ist Professorin, Lehrende, Forschende, Ratgeberin, Freundin, Kollegin, Partnerin: zuletzt 20 Jahre von Benno Werth, dem ehemaligen Dekan des Fachbereichs Design und großen Künstler, der 2015 starb. Sein Tod hat Gisela Engeln-Müllges schwer getroffen: „Benno war für mich mein Leben, er war und ist meine große Liebe.“ Sie ist in seine Fußstapfen getreten, schafft längst wunderschöne, einzigartige und bewudnerte eigene Kunstwerke, hat großen Erfolg mit ihren Ausstellungen, ja: Sie ist eben eine Künstlerin – souverän und individuell auch auf diesem Terrain.

Das Problem mit dem Tempo

1991 schlugen die Studierenden sie für das Bundesverdienstkreuz vor, das sie später auch bekam. Das sagt viel über ihr hervorragendes Verhältnis zu den jungen Menschen. Sie selber beschreibt es so: „Ich hatte für jeden ein offenes Ohr. Kritik gab es eigentlich nur wegen meiner Geschwindigkeit.“

Geschwindigkeit hat sie stets unverdrossen vorgelegt, etwa als ehemalige Vorstandssprecherin der Initiative Aachen. Auf der Basis ihres großen Netzwerkes holte sie immer wieder renommierte Wissenschaftler nach Aachen. Zu einem Forum kamen 1200 Besucher ins Aachener Rathaus, eine schier sensationelle Zahl. Ihr Talent: Sie bringt Menschen zusammen und sie scheut keine Debatte, wenn es um die Zukunft Aachens geht.

Im März ist sie 80 Jahre alt geworden. Alt? „Die Jugend kennzeichnet nicht einen Lebensabschnitt, sondern eine Geisteshaltung; sie ist Ausdruck des Willens, der Vorstellungskraft und der Gefühlsintensität. Sie bedeutet Sieg des Mutes über die Mutlosigkeit, Sieg der Abenteuerlust über den Hang zur Bequemlichkeit.“ Das passt schön zu dieser ungewöhnlichen Frau. Marc Aurel hat es geschrieben. Und noch ein Satz von ihm sei zitiert: „Jung ist, wer noch staunen und sich begeistern kann.“ Wie die Ehrensenatorin Gisela Engeln-Müllges.

Foto: FH Münster/Pressestelle

2 Gedanken zu „Die neue Ehrensenatorin: Gisela Engeln-Müllges.

  1. Lieber Herr Mathieu,
    wie wunderbar geschrieben! „Turbo Gisela“ ist seit 2005 auch im Kuratorium der Aachener Stiftung Kathy Beys. Ich kann mir dieses Kuratorium ohne ihren Einfallsreichtum, ihr Engagement und kritischen Blick aus jeder Perspektive kaum vorstellen!
    Ich möchte mich einfach für diesen würdig, liebevoll geschriebenen Artikel bei Ihnen bedanken!!! Das hat Gisela bestimmt sehr gefreut!!
    Beste Grüsse
    Ruth Malangré- Baldin

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