Trump hält Wort. Und die EU?
Der 6. November ist uns an Dramaturgie nichts schuldig geblieben. Und doch: War es wirklich überraschend, dass der verurteilte Straftäter Donald Trump wiedergewählt wurde?
Für mich war allenfalls die Höhe seines Sieges erstaunlich. Man kann tatsächlich von einem Erdrutsch-Sieg sprechen, wenn man die Wahlergebnisse im Senat und im Repräsentantenhaus zusätzlich berücksichtigt. In Vorträgen, die ich unmittelbar nach den Landtagswahlen gehalten habe, hatte ich stets die Vermutung geäußert, dass Trump gewinnen würde. Und im Podcast mit der Aachener Zeitung habe ich es Ende Oktober noch einmal wiederholt.
Über Wochen hatte ich mir die Eintragungen in den Wahllisten vor allem in den Swing Staaten angeschaut. Schon da konnte man leider erkennen, dass es den Demokraten nicht gelungen ist, ihre Zielgruppen, ihre potenziellen Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren.
Oder anders ausgedrückt: Die Demokraten haben die Wahlen regelrecht „versemmelt“: viel zu lange an Joe Biden festgehalten, dann mit Kamala Harris eine Kandidatin nominiert, die bei einer normalen Kandidatenkür nicht den Hauch einer Chance gehabt hätte. Und die Vize-Präsidentin hat inhaltlich nicht ansatzweise die dringend nötigen inhaltlichen Akzente gesetzt: nicht zur Ukraine, nicht zu Nahost, nicht zum transatlantischen Bündnis und der NATO, nicht zu China, nicht zu den Brics-Staaten, nicht zur Migration, nicht zur Inflation und der sozialen Lage vieler Bürgerinnen und Bürger.
Die Demokratische Partei hat aus der Trump-Wahl 2016 nichts gelernt, nicht rechtzeitig einen geeigneten Kandidaten aufgebaut und aufgestellt, sie hat mit ihrer Schwäche die Wiederwahl des Autokraten Trump erst möglich gemacht. Viele Amerikanerinnen und Amerikaner, vor allem auch junge, sehen erschreckenderweise kaum einen Unterschied zwischen den Parteien und ihren Kandidaten und wirken desillusioniert.
Und die Arbeiterklasse hat mit deutlicher Mehrheit für Trump gestimmt. Die Demokraten haben die bedrückende wirtschaftliche Situation mit teilweise horrenden Lebenshaltungskosten nicht ernsthaft zur Kenntnis genommen und thematisiert. Für den Populisten Trump war das eine Steilvorlage bei nahezu allen seinen Wahlveranstaltungen. Stets fragte er die Menge: „Geht es euch denn besser als vor vier Jahren?“. Die Antwort: „Nein.“ So what? Der Plan von Harris „Opportunity Economy“ (Wirtschaft der Möglichkeiten) war ein Rohrkrepierer.
Ukraine und Naher Osten
Wohin bewegt sich die Weltmacht USA nun? Die ersten Statements der Trump-Administration bestätigen die Vermutungen, die es vor der Wahl gab: erneuter Ausstieg aus dem Klima-Abkommen, Verringerung der Naturpark-Flächen zugunsten von Erdöl-Bohrungen und die offensichtliche Forderung an die Ukraine, die Krim abzugeben und die Ostgebiete unter internationale Verwaltung zu stellen, die dann allerdings eine nur europäische Angelegenheit sein soll. Trump steht gewiss zu seinem eigenen Wort: Er will den Krieg in der Ukraine beenden, irgendwie und schon bald nach seiner Amtseinführung.
Zweite außenpolitische Station wird der Nahe Osten sein. Seine Beziehungen zu Netanyahu, zu den Arabischen Emiraten, zu Saudi-Arabien sind exzellent und haben in seiner ersten Amtszeit die Weichen für seinen größten außenpolitischen Coup gestellt: die Abraham-Abkommen mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain.
Fragen über Fragen
Ist die EU nun besser auf Trump vorbereitet als 2016? Eher schlechter, eher zerstrittener und in verschiedene Lager geteilt, eher ohne wirklichen Ansprechpartner, eher ohne jeden Plan. Die Europäer haben offensichtlich noch immer nicht kapiert, was Trump von Demokratie und ihren Werten hält: NICHTS. Wer sich in dieser Situation nicht konsequent bemüht, den europäischen Laden wenigstens jetzt einigermaßen zusammen zu halten, setzt Europas ohnehin schon reduzierte Bedeutung vollends aufs Spiel.
Welche Antworten hat die Europäische Union auf Trump, die neue Situation für die Nato, auf die Ukraine? Wie wird sie auf Trumps Wirtschaftspolitik mit der Drohung drastischer Zölle reagieren? Und welche Ideen hat sie vor diesem Hintergrund in der Beziehung zu China? Zur Türkei? Zu den Brics-Staaten? Wie geht sie mit Orbán, Meloni und anderen Trump-Freunden in der EU um?
Die nach wie vor drittstärkste Volkswirtschaft der Welt befindet sich unterdessen in der entscheidenden Debatte darüber, wann die Vertrauensfrage des Bundeskanzlers gestellt und neu gewählt werden wird und ob wir genügend Papier haben, um die Formulare und Wahlzettel zu bedrucken. Es wird höchste Zeit, dass in der Nach-Ampel-Zeit vor allem auf internationalem Parkett wieder gehandelt wird: Ein Anfang wäre der Neubeginn der seit langem maroden deutsch-französischen Beziehungen mit einem entsprechenden Plan auf der EU-Bühne, die nicht länger Orbán & Co. das rhetorische Feld überlassen darf.
Fotos: BM
Ein Gedanke zu „Trump hält Wort. Und die EU?“
Die Zerstrittenheit der Europäischen Mitgliedstaaten in ihrem Auftreten und der politischen Ausrichtung wird es Trump sehr einfach machen, seine Interessen in Europa durchzusetzen. Orbán & Co werden sich eher gegen ihre schwachen Partner, als gegen ein starkes Amerika wenden. Es wird Zeit, Freunde und Feinde zu erkennen und Europa zu verkleinern. Auch daraus kann Stärke erwachsen.