Menschen auf der Straße. Ein Ruck? Ja!

Menschen auf der Straße. Ein Ruck? Ja!

Demokratie: Das war einmal ein vielversprechendes politisches Start-up. Aber die „beste aller schlechten Staatsformen“ (Winston Churchill) verliert seit Jahren an Akzeptanz und Vertrauen. Immer mehr Menschen haben das Gefühl, es komme auf sie nicht mehr an. Es sind vor allem die mangelnden Lösungen für die Alltagsprobleme, die die Akzeptanz der Demokratie untergraben.

Wir alle sind ein Teil der Zivilgesellschaft und damit auch der demokratischen Mehrheit in unserem Land. Ist auf die Mitte der Gesellschaft Verlass, wenn das Eintreten für unsere Demokratie eine fundamentale Rolle spielt? Ja: Endlich sind Menschen auf der Straße, es geht doch etwas wie ein Ruck durch alle Gesellschaftsstrukturen. Wie gestern in Aachen. Zum Beispiel.

 Das erodierende Vertrauen in die Parteien, Wirtschaft, Medien, Kirchen, auch Vereine und Familien steht für eine moralische, eben nicht nur militärische und sicherheitspolitische Zeitenwende. Die Auflösung traditioneller Bindungen an Institutionen setzt sich dramatisch fort. Was hat dazu geführt? Was kann Ersatz sein?

Unser Staat und seine Gesellschaft können unterdessen mehr als zurzeit sichtbar ist. Unsere Fähigkeiten sind höher als unsere derzeitige Freude an Gestaltung – gerade in Krisensituationen. Das ist unser jahrelanges Stillstandsdilemma. Wie schaffen wir es, unsere Stärken zu entwickeln und nicht nur über die Schwächen zu jammern?

Weltweit ist die Zahl der Menschen, die in liberalen Demokratien leben, weiter gesunken. Daran ändern auch einzelne positive Zeichen (etwa in Polen) nichts. Deshalb muss die EU für Werte wie freie Wahlen, Meinungs- und Religionsfreiheit, eine unabhängige Justiz und Chancengerechtigkeit viel offensiver als derzeit einstehen. Sie muss dringend ihre Außen- und Sicherheitspolitik prüfen und ihren Umgang mit China, der Türkei, mit Indien und irgendwann auch wieder mit Russland klären und formulieren. Was heißt das für die Europawahl in fünf Monaten?

Blicken wir nach vorne – mit Energie, mit Willen, mit demokratischer Zuversicht. Ist denn Zukunft wirklich nur pessimistisch? Oder ist sie Aufbruch, ein konstruktiver Gegenentwurf? Wie können wir die positiven Erfahrungen der Vergangenheit und Gegenwart positiv nutzen? Wie gestalten wir aus dieser Vergangenheit und Gegenwart – und ihren Fehlern – Zukunft? Und in welcher der Zukünfte – es sind ja immer mehrere – bewegen wir uns in unserer kleinen, eigenen, sehr persönlichen Umgebung: gesellschaftlich, wissenschaftlich, ökonomisch, ökologisch, politisch, theologisch, philosophisch, kulturell.

Über 20.000 Menschen gestern in Aachen. Zigtausende auch in anderen Städten. Das ist Aufbruch. Das ist Engagement für Demokratie. Für unseren Staat. Sorgen wir alle miteinander dafür, dass es nachhaltig bleibt – als ständiger Punkt auf der Tagesordnung unseres demokratischen Alltags, der geprägt ist vom Respekt vor Andersdenkenden, von Streitkultur, politischer Ehrlichkeit und Wahrheit und von persönlicher Einmischung in demokratische Angelegenheiten.

Ein Gedanke zu „Menschen auf der Straße. Ein Ruck? Ja!

  1. Herzlichen Dank, lieber Bernd, für diesen aufbauenden, Mut machenden Kommentar. Ich war nach vielen Jahren wieder das erste Mal bei einer politischen Demonstration und hoch erfreut, wie viele „normale“ Menschen mit dabei waren. Auch mir macht das Mut- und motiviert mich, weiter auf die Straße zu gehen.

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