Der Bend und seine Menschen.
Es ist die Faszination einer kleinen Welt in der Stadt. Irgendwo auf einem großen Platz, der Raum gewährt für Buntes, Spannendes, Aufregendes, Schmackhaftes, Vergnügliches, für Höhen, Geschwindigkeit, Träume, Nostalgie, Romantik, für Schwärmerei. Eine Welt, die uns bewegt über Generationen, und sie hat atemberaubende Zeitläufte erlebt und mitgestaltet.
Wir tauchen ein in diese uns emotional anrührende Welt der Jahrmärkte, der Sensationen, der vermeintlichen und der tatsächlichen: „Der Bend ist auf!“ – und das jetzt noch bis zum 20. August im Centre Charlemagne in Aachen. Das hat uns zum musealen Glück noch gefehlt. Man sieht: Die Kirmes hat es weit gebracht. Und das zu Recht.
Sie repräsentiert ein Stück Kulturgut, weil sie seit Jahrzehnten zum Alltag der Menschen dazu gehört – als Abwechslung, als Unterhaltung, als regelmäßig wiederkehrendes Blitzlicht in all den abertausenden Augenblicken der Jahreszeiten. Ja: Der Bend ist schon lange auf, und das zeigt diese Exposition mit beeindruckenden Bildern, Modellen, Exponaten, Videos, Plakaten, Dokumenten. Und sie wird überstrahlt von dem Manifest, das sie für die Schaustellerinnen und Schausteller, ihre Tüchtigkeit, ihre Risikobereitschaft, ihre Klugheit, ihre Geschäftigkeit, ihre Volksnähe, ihren Pragmatismus und vor allem die Vielseitigkeit ihrer Talente und umfassenden Kompetenzen formuliert.
Wenn man sich in die Videos, in denen Schaustellerinnen und Schausteller agieren, vertieft, gewinnt man von Szene zu Szene immer mehr Respekt vor der Leidenschaft und zuweilen auch Leidensfähigkeit dieser Menschen ohne Acht-Stunden-Tag und nur selten mit festem Wohnsitz. Zu ihnen gehört sogar eine promovierte Kunsthistorikerin, die selber nach wie vor unverdrossen gebrannte Mandeln auf den temporären Plätzen von Jubel, Trubel und Heiterkeit verkauft. Es sind Familien, die über Generationen unterwegs sind, die Traditionen pflegen und Innovationen entwickeln – als ständige Überlebensstrategie einer sich in jeder Beziehung immer schneller drehenden Welt.
Die Ausstellung dokumentiert auch solche Entwicklungen höchster technischer Ansprüche. Eine Achterbahn ist kein Allerweltgedöns rasanter Kurven und entzückter Schreie, wenn es bergab geht. Ihre exakte Planung ist das Ergebnis einer gelungenen Melange aus Ingenieurwissenschaft, technischer Raffinesse, Ideen und zuweilen sogar patentierten Konstruktionen. Und sie kostet Geld, viel Geld, das – auch das ist ein Ergebnis dieses Rundgangs im Centre Charlemagne – auch Verständnis weckt für manch hohen Fahrpreis, der dann doch preiswert wirkt.
Der Bend ist auf! Was für eine schöne Ausstellung, was für eine anregende Begegnung mit Geschichte und Gegenwart, mit gestern und heute und en passant welch schöne Erinnerung an eigene Kindheits- und Jugendtage. Steigen Sie ein in dieses Karussell der Düfte, des Fahrtwinds, der Buden, der Schaustellerinnen und Schausteller, des Volkes und seines Festes, das hier in aller gebührenden Form ebenso informativ wie heiter gewürdigt wird.
Öffnungszeiten Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Web: centre-charlemagne.eu
Fotos: Bernd Mathieu